Das Sozialgericht Bremen hat im Jahr 2017 einen wegweisenden Beschluss für die Rechte der Patientinnen und Patienten gefasst: die deutschen gesetzlichen Krankenkassen müssen neuartige Behandlungsmethoden auch dann finanzieren, wenn noch keine inländischen Studien dazu vorliegen. Die Höhe der Kosten der Behandlung ist in diesem Fall kein Gegenargument, sondern irrelevant. Das Bremer Gericht verurteilte die Kasse zur Übernahme der aller Behandlungskosten. Angesichts der Notwendigkeit einer Therapie spiele weder ihr tatsächlicher Erfolg noch das Land eine Rolle.
Der Präzedenzfall
Konkret ging es um einen Jugendlichen aus Bremen, der an einer Bronchitis fibroplastica litt. Diese äußerst seltene Krankheit geht mit lebensbedrohenden Erstickungsanfällen einher. Eine Behandlung erschien hiesigen Ärzten unmöglich. Doch im Jahr 2016 publizierte ein Mediziner aus Philadelphia in einer US-amerikanischen Fachzeitschrift eine vielversprechende Studie über eine neuartige Behandlungsmethode. Bei Ihrer gesetzlichen Krankenkasse beantragten die Eltern des Jungen die Kostenübernahme einer Behandlung bei eben jenem Arzt aus den USA. Obwohl der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, sowie namhafte deutsche Mediziner die alternativlose Notwendigkeit dieser neuartigen Behandlungsmethode einräumten, lehnte die gesetzliche Krankenkasse die Kostenübernahme ab. Als Begründung führten sie zum einen mangelnde Studien an, denn die Methode entspreche nicht „dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“. Zum anderen könne die behandelnde Klinik keine konkrete Angabe über die anfallenden Kosten machen und würde mit 300.000 Euro nur eine grobe Schätzung abgeben.
Der Fall ging vor das Sozialgericht Bremen, das nach einem Eilantrag im Herbst 2017 die neuartige Behandlungsmethode als notwendig, und die gesetzliche Krankenkasse als Kostenträgerin sah. Ein Urteil wurde gesprochen, eine Beschwerde zurückgewiesen. Der Junge ließ seine Behandlung in den USA durchführen und die Therapie schlug an. Seither sind keine Erstickungsanfälle mehr aufgetreten.
Das Urteil
Das Sozialgericht Bremen stützte sich in seinem Urteil vor allem auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des § 2 Abs. 1a i.V.m. § 18 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Hintergrund sei, dass die Behandlung seitens der Einschätzungen und Gutachten deutscher Mediziner ausnahmslos als alternativlos eingestuft worden sei. Die Möglichkeiten inländischer Kliniken und Behandlungsmethoden seien auf Verfahren reduziert, die mit enormen Risiken verbunden wären. Entgegen der Auffassung seiner Krankenkasse, stellten sie für die Behandlung des jungen Mannes keine Alternative dar.
Eine gesetzliche Krankenkasse könne eine neuartige Behandlungsmethode nicht kategorisch ausschließen, nur, weil das Behandlungsland nicht in Deutschland sei. Auch der Mangel an aussagekräftigen Studien entbinde die Krankenkasse nicht von einer Kostenübernahme, sofern die Behandlung allgemein als alternativlos gesehen werde. Schlussendlich entkräftete das Sozialgericht auch das letzte Argument der Krankenkasse: die hohen und nicht sehr transparenten Behandlungskosten des US-Krankenhauses seien deswegen nicht entscheidend, da das gesetzliche Krankenhausrecht keine Beschränkung des Behandlungsanspruchs aufgrund zu hoher Kosten enthalte.
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